Bedingungen zur  Umsetzung der  Alpha-Variante

Weiterentwicklung der  Bedingung zum  ISE-Fonds (Bedingung 6)


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Anlass der  Überlegungen:

Die Bedingungen des Dialogforums Schiene Nord für die Umsetzung der Alpha-Variante sehen u.a. ursprünglich die Einrichtung eines speziellen Fonds vor, mit dessen Mitteln die von Alpha- E betroffenen Kommunen eine intelligente Siedlungsentwicklung insbesondere im unmittelbaren Lärmeinwirkungsbereich der Schienenwege jenseits der üblichen Standardlösungen (Lärmschutzwände) Siedlungsentwicklung betreiben können (Bedingung Nr. 6 des Dialogforums Schiene Nord). Ziel des Fonds ist der Ausgleich von (städtebaulichen) Nachteilen, welche aufgrund der von Alpha-E ermöglichten Kapazitätsausweitungen im Schienenverkehr der betroffenen Bevölkerung vor Ort entstehen.

Es ist in den letzten zwei Jahren gelungen, bei den örtlichen Mitgliedern des deutschen Bundestags um Unterstützung für die seitens des Dialogforums Schiene Nord beschlossenen Bedingungen zu werben.

Lediglich die Bedingung Nr. 6 zum ISE-Fonds stößt derzeit noch auf wenig Verständnis.

Mit nachfolgenden Ausführungen sollen der inhaltliche Kern dieser Bedingung definiert und ggf. alternative Umsetzungs- und Finanzierungsmöglichkeiten diskutiert werden.

Vorschlag für  die  weitere Vorgehensweise:

A. Herausforderungen:

Einerseits:

Es besteht das (gesellschaftliche) Ziel, mehr Güterverkehr auf der Schiene abzuwickeln. Auch Fern- und Nahverkehr sollen ausgeweitet werden. Hierfür sind die bestehenden Kapazitäten im Schienennetz aber nicht ausreichend. Die Schaffung neuer Kapazitäten mittels Neutrassierungen scheitert regelmäßig am Widerstand der betroffenen Bevölkerung. Demzufolge kommt (derzeit) unter den aktuellen Planungsbedingungen nur ein Ausbau des bestehenden Streckennetzes in Frage.

Andererseits:

Die aktuelle Lärmkartierung des Eisenbahnbundesamtes EBA belegt schon heute eine (zu) hohe Lärmbelastung in Kommunen entlang bestehender Haupteisenbahnstrecken. Gleichzeitig ergibt sich schon heute eine auch von den Betroffenen wahrgenommene erhebliche Lärmbetroffenheit der gleisanliegenden Bevölkerung (vgl. Umfrage EBA im Jahr 2017). Folgerichtig besteht das Bestreben, die aktuelle Lärmbelastung zu verringern. In diesem Zusammenhang ist nicht ausgeschlossen, dass die geltenden Grenzwerte für Eisenbahnlärm weiter abgesenkt werden (vgl. Initiative der Parlamentsgruppe „Bahnlärm“ des Deutschen Bundestages).

Zwar soll der flächendeckende Einsatz von Güterwagen mit LL-Sohle (prognostizierte Pegelminderung bis zu 10 dB(A)) eine spürbare Verbesserung der Situation bringen. Es besteht aber die Befürchtung, dass sich im Zusammenspiel mit anderen Faktoren die erhofften Lärmminderungen wieder relativieren, da eine gleichzeitige Erhöhung der Güterzugzahlen, Verlängerung der Güterzüge und Erhöhung der Fahrgeschwindigkeiten den erhofften Lärmminderungseffekt erheblich mindern. Überdies wäre im Nahbereich der Gleisanlagen selbst eine Pegelminderung von 10 dB(A) immer noch bei Weitem nicht ausreichend für eine Sicherstellung gesunder Wohnverhältnisse.

Resultierender Konflikt:

Es besteht ein erheblicher Konflikt zwischen dem Ziel der Kapazitätssteigerungen und dem Ziel, hierfür eine Akzeptanz bei der betroffenen Bevölkerung vor Ort zu erhalten.

B. Lösungsansatz:

Stufe  1:

Mögliche Lärmschutzlösungen und entsprechend angepasste Siedlungsentwicklungen vor Ort müssen konkretisiert werden. Es müssen insbesondere alternative Lösungsmöglichkeiten der Lärmproblematik jenseits herkömmlicher hoher Schallschutzwände aufgezeigt werden (also eine der jeweiligen städtebaulichen Situation angepasste „intelligente“ Siedlungsentwicklung).

Forschungsträger wie das Difu oder das BBSR sollen daher dafür gewonnen werden, gemeinsam mit dem Projektbeirat, Bund, Bahn, Land und betroffenen Kommunen einen städtebaulichen Ideenwettbewerb (Studie/Forschungsvorhaben) durchzuführen, im Rahmen dessen beispielhaft für eine Auswahl von Alpha-E betroffenen Städte konkrete Maßnahmen für einen Vollschutz vor Bahnlärm im jeweiligen Stadtgebiet vorgeschlagen werden. Ziel ist ein städtebaulich oder freiraumplanerisch optimierter Lärmschutz.

Aus zeitlichen Gründen könnten als vorgeschaltete Alternative im Rahmen der Wettbewerbsvorbereitungen entsprechende Überlegungen zunächst für die Stadt Verden (Aller) (oder ganz allgemein für die Kommunen entlang des Streckenabschnitts Rotenburg – Verden) vorgezogen werden. Diese können dann als „Blaupause“ beispielhaft der weiteren Wettbewerbsvorbereitung zugrunde gelegt werden.

Stufe  2:

(Erst) nach Vorliegen konkreter Lösungsansätze für die einzelnen Kommunen kann überhaupt geprüft werden, ob für diese beispielhaft entwickelten Lösungen ein neues Finanzierungsinstrument geschaffen werden müsste. Ggf. sind die bestehenden Möglichkeiten ausreichend. Diese könnten sich möglicherweise wie folgt zusammensetzen:

  • Stadtumbau West
  • Andere bestehende Städtebauförderung Bund oder Land
  • EU-Mittel (neben EFRE etc. ggf. auch neue Mittel aufgrund der EU-Umgebungslärmrichtlinie?)
  • Alternative Verwendung zustehender bzw. zu erwartender Lärmschutzmittel (Vorsorge/Sanierung)
  • Revolvierender Einsatz von Mitteln (z.B. aufgrund von Wertsteigerungen)
  • Ggf. kommunale Mittel (im Falle ohnehin geplanter Maßnahmen)

Auf dieser Basis soll eine Art „Werkzeugkasten“ mit (bestehenden) Finanzierungsinstrumenten entwickelt werden, mithilfe dessen die jeweiligen konkreten Projekte für eine intelligente Siedlungsentwicklung zur Herstellung von Vollschutz vor Bahnlärm umgesetzt werden können.

Stufe  3:

Auf der Basis der von der Bahn vorzulegenden konkreten Ausbauplanungen und der resultierenden Lärmprognosen werden im Rahmen der runden Tische diese Projekte diskutiert, optimiert und mithilfe des o.g. „Werkzeugkastens“ umgesetzt – zunächst im Raum Alpha-E.

Stufe  4:

Da auch im übrigen Bundesgebiet der oben in Punkt A. genannte Konflikt besteht (vgl. aktuellen Lärmaktionsplan Teil A des EBA), kann im Bewährungsfall der zuvor genannten drei Stufen auch an den übrigen von Eisenbahnlärm erheblich betroffenen Kommunen entsprechend verfahren werden.

In der  Summe wird hierdurch eine  höhere Akzeptanz in der  Bevölkerung für Ausbaumaßnahmen im Schienennetz ermöglicht und  somit der  Konflikt zum  Ziel von  Kapazitätsausweitungen auf der  Schiene  wesentlich abgemildert.

Beirat Alpha - Schaubild ISE-Fonds

 

Zusammenfassung:

Sofern

  • das gesellschaftliche Ziel besteht, mehr (Güter-)Verkehr auf der Schiene abzuwickeln als bislang möglich und gleichzeitig
  • eine Akzeptanz hierfür bei den Betroffenen vor Ort erreicht werden soll,

muss ausreichend Lärmschutz sichergestellt sein und dieser zusätzlich städtebaulich integriert sein (können).

Hierfür müssen konkrete Lösungsmöglichkeiten vor Ort entwickelt werden.

Dies soll anhand eines Wettbewerbs im Rahmen eines Forschungsvorhabens z.B. des Difu zunächst am Beispiel Verden (Aller) und später für eine Auswahl von Kommunen im Bereich von Alpha-E erreicht werden.

Anhand dieser konkreten Lösungsmöglichkeiten kann dann in einem zweiten Schritt ermittelt werden, welche bereits bestehenden oder absehbar neu geschaffenen Förder-/Finanzierungsinstrumente geeignet sind, diese Lösungen umzusetzen („Werkzeugkasten“). Diese wissenschaftlich begleitete Ermittlung dient also einerseits dazu zu prüfen, ob schon die vorhandenen Instrumente für eine intelligente Siedlungsentwicklung unter besonderer Beachtung bestehender Lärmschutzproblematiken ausreichen, und dazu, diese Instrumente zusammengefasst zu benennen und kombiniert anzuwenden.

Im Rahmen der runden Tische und anhand dann von der Bahn vorzulegenden konkreten Planungen und insbesondere Lärmprognosen sollen die Lösungen zunächst im Rahmen von Alpha-E und später bundesweit umgesetzt werden. Die spätere bundesweite Umsetzung soll sämtlichen von Eisenbahnlärm betroffenen Kommunen ermöglichen, eine bestehende Lärmproblematik mit alternativen städtebaulichen Mitteln zu lösen.

Im Ergebnis wäre erreicht, dass die erforderlichen zusätzlichen Kapazitäten auf den Schienenwegen in einer Weise geschaffen werden, die auch vor Ort akzeptiert und ggf. mit den vorhandenen oder inhaltlich weiterentwickelten Förder-/Finanzierungsinstrumenten schneller als bisher umgesetzt werden können.


Verfasser:

Lutz Brockmann, Bürgermeister Stadt Verden (Aller), stellvertr. Mitglied Projektbeirat Alpha-E

Christian Böker, BI Aktionsbündnis gegen Trassenneubau, Mitglied Projektbeirat Alpha-E

Jan-Hinrich Brinkmann, Stadtplanungsabteilung Burgdorf, stellvertr. Mitglied Projektbeirat Alpha-E

Burgdorf, 24.01.2018

Bildnachweis Schaubild Seite 3:

  • „Mehr Züge – mehr Lärmschutz“, HAZ 2015
  • Lärmaktionsplan Teil A, EBA 2018
  • „Lösungsmöglichkeiten für die Engpässe der Schieneninfrastruktur …“, BVU 2015